Archaeopteryx – ein Held der Evolutionstheorie
von Brachiopictures · Veröffentlicht · Aktualisiert
Charles Darwin veröffentlichte 1859 sein bahnbrechendes Werk „Über die Entstehung der Arten“, welches unverkennbar einen Meilenstein in der Geschichte der Evolutionstheorie darstellt. Heute gilt die Theorie der Entwicklung von Lebewesen durch Anpassung an ihre Lebensräume, das „survival of the fittest“, als so anerkannt, dass alternative Denkansätze höchstens mitleidig belächelt werden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hingegen waren die Fronten verhärtet. Der Urvogel Archaeopteryx spielte für eine der Seiten eine entscheidende Rolle.
Religiöse Vorbehalte
Insbesondere aus religiösen Überzeugungen heraus fanden Darwin und seine Mitdenker eine zahlreiche Gegnerschaft. Wie sollte bewiesen werden, dass die Existenz unterschiedlicher Lebewesen nicht von einem einmaligen göttlichen Akt der Schöpfung abhängig war? Wie war es vorstellbar, dass sich die Tiere der heutigen Welt über gewaltige Zeiträume hinweg in winzigen Schritten aus ganz anderen Kreaturen fortentwickelt hatten?
Die Entdeckung und Beschreibung der Dinosaurier hatte gezeigt, dass es andere Wesen gab, die später nicht mehr auftauchten. Diese Tatsache war jedoch ohne großen Aufwand damit zu erklären, dass wohl nur göttlich erwähltes Leben die biblische Sintflut überstand, andere Geschöpfe wurden stattdessen von der Erde getilgt. Die Behauptung, es hätte eine kontinuierliche Entwicklung in der Herausbildung der Arten gegeben, stellt die ursprüngliche Vollkommenheit der Schöpfung in Frage.
Missing link
Darwin selbst musste sich mit der Vorhersage von Fossilienfunden, die den Übergang von einer zur anderen Art bewiesen, begnügen. Sogenannte „missing links“ müssten Merkmale der alten und der neu entwickelten Art besitzen und galten als entscheidender, aber noch zu findender Beleg der Evolutionstheorie. Diese Bindeglieder fehlten nun aber und wurden so zu diesem Zeitpunkt eher als Gegenargument zu Darwin verwendet. Das änderte ein spektakulärer Fund, der nur 2 Jahre nach der Veröffentlichung von Darwins Schrift gemacht wurde.

Eine Feder des Urvogels
Schon 1860 wurde im Gemeindesteinbruch Solnhofen eine einzelne Feder entdeckt, die erstmals von Hermann von Meyer beschrieben. Von Meyer prägte auch den Namen der neuen Gattung: Archaeopteryx. Der Name leitet sich von den altgriechischen Worten archaiôs für uralt und ptéryx für Flügel oder Schwinge ab.
Die Abdrücke der ersten entdeckte Feder der „Urschwinge“ sind heute im Naturkundemuseum Berlin und im Paläontologischen Museum in München zu sehen. Seit 2019 gilt als widerlegt, dass sie überhaupt von Archaeopteryx stammt und wird einem anderen Urvogel oder kleinen befiederten Dinosaurier zugeordnet. Noch im Jahr der Erstbeschreibung wurde jedoch ein vollständig erhaltenes Skelett von Archaeopteryx auf der Langenaltenheimer Haardt bei Solnhofen gefunden, welches als „Londoner Exemplar“ in die Geschichte einging und als erster Beleg für ein missing link gilt.
Archaeopteryx unter Verschluss
Bevor es aber dazu kommen konnte, erwarb das Londoner Natural History Museum das Skelett und hielt es für einige Zeit unter Verschluss. Treibende Kraft hinter diesem Vorgehen war Sir Richard Owen. Owen war nicht nur derjenige, der den Dinosauriern zu ihrem Namen verhalf, sondern auch gläubiger Christ und entschiedener Gegner der Evolutionstheorie. Daher war er auch darauf bedacht, bei der Erstbeschreibung der heiklen Neuerwerbung jeden Hinweis auf eine Deutung als missing link im Darwinschen Sinne zu vermeiden. Daraus folgte, dass diese Beschreibung in großen Teilen fehlerhaft war.
Letztlich blieb dieser teure Vertuschungsversuch – das Museum hatte immerhin 13.000 Goldmark für das Skelett gezahlt – erfolglos. Schließlich gelang Thomas Henry Huxley eine systematische Beschreibung des Fossils und die Verwendung als Beleg für die Evolutionstheorie. Damit leistete Huxley, der gern unter dem Spitzname „Darwins bulldog“ firmierte, der Evolutionstheorie und ihren Anhängern einen gewaltigen Vorschub.
Weitere Exemplare
Bis 2011 wurden inklusive des Londoner Exemplars 12 mehr oder weniger vollständige Skelette von Archaeopteryx gefunden. Eines davon ist das sogenannte „Berliner Exemplar“, das seit 2007 in der Dauerausstellung des Museums für Naturkunde zu sehen ist. Das Skelett wurde zwischen 1874 und 1876 auf dem Blumenberg bei Eichstätt von Jakob Niemeyer gefunden, welche es gegen eine Kuh im Wert von 150 bis 180 Mark eintauschte. Der Käufer veräußerte es jedoch bald an Ernst Otto Häberlein. Häberleins Vater Carl Friedrich war es, der bereits das Londoner Exemplar für einen horrenden Preis gen England schickte.
Ernst Otto übertraf den Verkaufspreis seines Vaters sogar noch und lies Werner von Siemens das Exemplar für 20.000 Mark erwerben. Dieser gab es als Dauerleihgabe an das Mineralogische Museum der Humboldt-Universität Berlin. Besondere Merkmal des Berliner Exemplars sind sehr gut sichtbare Federabdrücke und ein erhaltener Schädelknochen.
Ein guter Flieger?
Wenn Archaeopteryx Federn hatte und wie eine Zwischenform von theropodem Dinosaurier und Vogel aussah, konnte er dann auch fliegen? Über diese Frage herrscht in der Wissenschaft auch heute noch Uneinigkeit. Eine computertomografische Untersuchung von Hirnschale und Innenohr des Archaeopteryx zeigte US-amerikanischen und britischen Forschern deutliche Abdrücke von Hirnkonturen im Innenschädel, die sie mit Hirnrekonstruktionen von Dinosauriern und heutigen Vögeln verglichen. Das Resultat zeigte durchaus Ähnlichkeiten mit neuzeitlichen Vögeln. So könnte unter anderem eine vergrößerte Großhirnhälfte für die Koordination im Flug zuständig gewesen sein. Zusammen mit großen optischen Zentren an den Hirnseiten nehmen die Forscher an, dass Archaeopteryx aufgrund seines Gehirns flugfähig gewesen sein könnte.
Gleichzeitig ähnelt die Struktur des Innenohrs der moderner Vögel. Andere Merkmale des Archaeopteryx sprechen dafür, dass er höchstens kleine Distanzen überwinden konnte, etwa um vor Feinden zu fliehen oder sich zwischen Inseln zu bewegen. Dafür sprechen der nicht vergrößerte Brustknochen und zu kleine Muskelansätze, die für einen Flügelschlag zu schwach waren. Eine andere Hypothese besagt, dass sich der Urvögel lediglich von Bäumen in einen Gleitflug stürzen, aber überhaupt nicht selbstständig fliegen konnte.
Auch wenn Archaeopteryx aller Wahrscheinlichkeit nach kein Fliegerass war, leistete seine Entdeckung der Evolutionstheorie einen gewaltigen Dienst und nahm ihren Gegnern gewaltig den Wind aus den Federn.
Eine Antwort
[…] ist die Bedeutung des Urvogels für die Evolutionsforschung unbestritten. (Mehr dazu findet ihr in >>diesem Artikel<< […]